Unknown Unknowns – Meine grundlegende Herangehensweise

In den letzten Monaten habe ich mir immer wieder die Frage gestellt wie arbeite ich eigentlich? Natürlich fallen einem da schnell Methoden und Werkzeuge ein. Ich coache, beherrsche SWOT Analysen, kann Businesspläne schreiben, beherrsche Agile Methoden, kenne das Spotyfiy Modell und Disciplined Agile. Ich habe Werkzeuge, Templates und Ausbildungen entwickelt. Ich habe unterschiedlichste Branchenerfahrung und bin Spezialist im Prozessmanagement und deren Digitalisierung. Auch Privacy by design ist mir nicht fremd.

Trotz dem stelle ich mir die Frage, was mache ich eigentlich anders als andere die auch einen großen Werkzeugkasten und viel Erfahrung haben. Gibt es da überhaupt etwas? Was ist mein USP?

Dann habe ich das Model der „Unknown Unknowns“ kennengelernt. Berühmt geworden durch den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Da wurde mir plötzlich klar wo der gemeinsame Nenner bei allen meinen beruflichen Hürden und Erfolgen war. Ich bin Spezialist die „unknown unknowns“ zu finden und in lösbare unknown knowns„, „known Unknowns“ und „known knowns“ umzuwandeln, zu transformieren.

Konnte mir noch jemand folgen?

Das Modell geht von vier Quadranten aus. Es unterscheidet zwischen „bekanntem Wissen“ (known knowns), „bekanntem Unwissen“ (known unknowns), „unbekanntem Wissen“ (unknown knowns) und „unbekanntem Unwissen“ (unknown unknowns). Ich habe dies in der folgenden Grafik beschrieben:

Jeder dieser Quadranten lässt sich irgendwie beherrschen, mit Ausnahme des Quadranten unten rechts. Wobei der Quadrant unten links „unbekanntes Wissen“, aufgrund des „blinden Flecks“, den man intern gerne hat, am problematischsten zu identifizieren ist. Ich wage hier die steile These, dass die wichtigsten Issues dieses Quadrants nur von einem Externen zu finden sind.

Schauen wir uns mal die Beispiele für die jeweiligen Quadranten an:

Meine Aufgabe ist es aus den vielen Unbekannten, Beherrschbares zu machen.

Oftmals wurde ich in der Vergangheit beauftragt, weil ein Manager „fühlte“, dass etwas nicht stimmt. Er hat dazu nur Indizien aus dem „bekannten Unwissen“ und dem „bekannten Wissen“. Ganz schnell identifiziere ich dann oft die Themen, die in den Quadranten „unbekanntes Wissen“ gehören, und transformiere das Issue in den oberen linken Quadranten „bekanntes Wissen“. Gleichzeitig mache ich die Organisation resilient gegen „unbekanntes Wissen“, indem ich die Zusammenarbeit und das agile Mindset fördere. 

Manchmal bleibt auch nur der Weg über den Quadranten oben rechts, da ich weiter Indizien finde, die dann erst mal wieder analysiert werden müssen, bevor sie beherrschbar sind und „bekanntes Wissen“ werden.

Den Prozess nenne ich unkown unknowns transformation

Dieses beherrschbar machen funktioniert am besten eingebettet in einem Transformationsprozess durch die Quadranten zusammen mit den Menschen die mitten drin in den „unknown unknowns„, aber auch in allen anderen Quadranten, stecken. Meiner Erfahrung nach ist die Identifikation ein wesentlicher Teil des Stakeholdermanagement bei dieser Transformation. Ich verwende dazu diverse Methoden aus dem agilen Methodenset rund um die Geschäftsmodellentwicklung und dem Value Proposition Design. Am Ende geht es doch immer um das unklare oder fehlende „Warum“ wenn besonders viele Issues im „Unknown unknowns„Quadranten stecken.

Hier noch mal als Animation zusammen gefasst:

Nach der „unkown unknowns Transformation“ kommen dann alle meine Werkzeuge zum Tragen. Natürlich kann es auch passieren, dass ich auf Themen stoße, die ich selber nicht lösen kann. Dann übergab ich es gerne an Partner oder andere Spezialisten.

Wie funktioniert sanftes agilisieren bei bestehenden Teams?

Nehmen wir mal an, wir haben ein Team von Entwicklern, die schon jahrelang zusammenarbeiten. Sie haben eine Führungskraft bei der „das Glas immer halb leer ist“ und bevor ein Problem gelöst werden kann wird immer das große Ganze in Frage gestellt. Wenn eine Anforderung aus dem Business kommt wird die Umsetzung erschwert, weil erst ein großes Konzept erwarte wird, wozu Business jedoch gar nicht in der Lage ist. Durch diese „Nebelkerzen“ wird auch die Führung immer wieder die vorhandene Energie gebremst und die Kommunikation mit den Businessabteilungen blockiert. E-Mail Ping-Pong ist die Folge. Gerne entsteht daraus das beliebte „Finger Pointing“. Das Team hat sich geteilt und bildet kleine Fachgruppen. Jeder versucht sich gut wie möglich durch zu kämpfen…

Wie lässt sich so eine verfahrene Situation auflösen?

Natürlich hat das auch mit Führung und Management zu tun. Als Coaches versuchen wir die Führungskraft zu bewegen, „los zu lassen“, Aufgaben in kleinere Pakete zu zerlegen, die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern, „Command and Control“ abzulegen. Das klappt jedoch meistens nur suboptimal. Leider erlebe ich immer wieder, dass die Führungskräfte nicht in der Lage alte Frustrationen hinter sich zu lassen und Verantwortung abzugeben. Das Management kommt dann unweigerlich in die Situation sich von der Führungskraft trennen zu müssen, damit die Blockaden und „Energiebremsen“ im Team gelöst werden. Das ist schmerzhaft aber manchmal notwendig.

Unabhängig davon lassen sich aber eingefahrene Team mit der Einführung eines Task-Boards sanft an agile Methoden heranführen. Hierzu ist nach meiner Erfahrung allerdings ein externer Coach notwendig, um jahrelange Blockaden und Historie aufzulösen.

Einführung eines Task-Boards

Im ersten Schritt wird ein interdisziplinäres Team aufgebaut. Softwareentwickler, wenn vorhanden Architekt, Operations- und Business-Vertreter werden in ein Team zusammen geholt. So können durch Interaktionen erste Blocken schon im Gespräch gelöst werden. Die Zusammenarbeit im Team braucht dann noch ein gemeinsames Problembewusstsein. Folglich muss zuerst eine Gesprächsebene gefunden werden in der die vorhandenen Themen, Issues, incidents, Service Request (oder wie die Themen im Unternehmen auch immer genannt werden) geklärt und verstanden werden. Mir hilft dabei immer wieder sich zuerst über Kommunikationsregeln im Team zu verständigen. Beispielsweise. „Keiner redet für den anderen“ oder „Wir lassen die Anderen ausreden und unterbrechen uns nicht gegenseitig“. Der Coach hat die Aufgabe darauf zu achten, dass die Regeln eingehalten werden. Durch diese Kommunikation gemeinsam im Team entsteht bei den Problembeschreibungen eine Art Storytelling, die in eine „Verständnisdiskussion“ hinein moderiert wird.

Haben alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Themen und Problembewusstsein über die Situation gewonnen, werden die Issues, gemeinsam, nach Wichtigkeit priorisiert. Beim Priorisieren ist es wichtig, dass niemand seinen Wahrheitsanspruch durchsetzt. Auch dann nicht, wenn die Person hierarchisch überstellt ist.

Priorisierungen müssen begründet werden, nur dann ist Zusammenarbeit möglich

Mit der Priorisierung wird das Task-Board eingeführt. Dabei habe ich immer drauf geachtet es KANBAN- oder SCRUM-Board so zu nennen und keine Hintergrunderklärungen zu liefern. Meiner Erfahrung nach ist der Beginn mit PostIT’s an der Wand ein sehr guter Weg. So werden Issues haptisch, eine Priorisierung und das weiter schieben ist eine gemeinsame Aktion. Durch dieses gemeinsame, haptische arbeiten wir eine gemeinsame Identifikation geschaffen.

In meinem letzten Projekt habe ich das Bord etwas umstrukturiert: „Backlog“ (alle vorhandenen Themen), „Umsetzung“ (hier kommen nur die Prio 1 Themen rein), „In Arbeit“, „Gelöst“. Mit Absicht ist in der Einführungsphase Qualitätssicherung und „in Arbeit“ noch in einem Punkt um die Komplexität gering zu halten. Im Laufe des Projektes entwickelt sich die Forderung nach Trennung in Arbeit und QS i.d.R. von selber.

Nach dem Priorisieren kommt das Schätzen des Aufwands. Hier ziehe ich ein Komplexitätsschätzen in Form von Story Points vor. Ich nutzen dazu gerne die Methode „Planning Poker“. Es ist leicht zu verstehen und macht moderiert auch Spaß.

Nun werden die Issues genauer beschrieben. Manche sind schon sehr detailliert, manche Anforderungen liegen in Form von User Stories vor und manche sind nur Überschriften. Bei der Diskussion im Team um die Detaillierungen der Inhalte kommt das Team schnell zum gemeinsamen Verständnis, dass ein Standard für Anforderungsbeschreibungen etablieren werden muss. Ich empfehle dann immer User Stories, da hier im Kern, um etwas geschrieben verhandelt wird und damit das miteinander sprechen im Mittelpunkt steht. Das „Nichtreden“ stand ja schließlich früher oft der Umsetzung im Weg. Wenn Akzeptanzkriterien richtig eingesetzt werden erleichtern diese auch später das Testen. Wir schulen alle Mitarbeiter und fangen an zu üben. Es ist in dieser Phase meine Aufgabe als Coach dabei zu helfen zu erkennen, dass Anforderungsbeschreibungen geübt werden muss, erinnere daran, dass wir zu Beginn niemals alle Information haben und dass genau diese Tatsache den Raum für Kreativität in der Lösungsgestaltung lässt. Die Tasche des nicht alles Wissens ist damit was Gutes.

Parallel dazu beginnt schon die Umsetzung einiger Themen. Jetzt wird ein StandUp (Daily) mit dem gesamten Team eingeführt. Nach den klassischen Regeln was habe ich gestern getan, was habe ich heute vor und hatte ich Blockaden, wenn ja welche.

Empowern, um das Team lernen zu lassen

Ob später dann noch Entwicklungszyklen einbaute oder gar SCRUM lässt sich jederzeit im Team diskutieren und auch gemeinsam entscheiden. Getreu einem zentralen Prinzip aus der SCRUM-Welt: „Selbstorganisation der Teams“. Manchmal entsteht zu Beginn des Transformationsprozesses der Wunsch nach einem Dispatcher, der die unsicheren Teammitglieder, die sich zu Beginn überfordert fühlen, anleitet, die Tasks zu übernehmen, bzw. zu verteilen Diese Rolle übernimmt somit die Vorselektion für das Team. Auch das ist gut. Allein die Tatsache, dass es im Team aktiv gefordert wird, ist der erste Schritt zur Selbststeuerung. Wenn später der Wunsch entsteht sich selber die Tasks aus dem Board zu nehmen ist es wichtig, dass zu zulassen und nicht auf der Rolle des Dispatchers zu bestehen. Wichtig ist es immer wieder neue Methoden vorzustellen und dann das Team entscheiden zu lassen, was sie sich als Tool herausnehmen. Die Coachingrolle wird ergänzt durch Methodenangebot und Training.

Marketing nach innen

Jetzt kommt ein kritischer Punkt: Die gesamte Organisation teilhaben lassen. Nur wie? Kommunikation nach innen läuft über Menschen. Menschen kommunizieren über Überzeugungen und Leidenschaft. Wenn Menschen wissen warum sie etwas machen und von dem überzeugt sind, was sie tun, werde sie zu einem Botschafter. Damit ist für mich als Coach eines der wichtigsten Ziele Teammitglieder zu befähigen zufrieden ihren Job zu machen. Nur so können sie mit Überzeugung mit Ihren Kolleginnen und Kollegen die Erfahrung das Richtige zu tun, teilen. Jedes Teammitglied wird so zum Botschafter und Gesprächspartner im Unternehmen.

Als weiteren Schritt im internen Marketing habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, das Task-Board an einem öffentlichen Ort permanent hängen zu lasen. Das schafft Neugierde. Kolleginnen und Kollegen können sich mal zu einem Daily dazu gesellen und zuhören.

So lernt das Team Schritt für Schritt agile Methoden ohne das ein Mal „Buzzwörter“ wir SRCUM, Agil oder gar Design Thinking verwendet werden. Mit jedem Tag vor dem Bord, mit jedem selbstständigen Gespräch macht das Team einen weiteren Schritt in eine agile Welt.

Das letzte Wort soll Nicolas Chamfor bekommen:

»Durch die Leidenschaften lebt der Mensch, durch die Vernunft existiert er bloß.«

Digitalisierung als Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft

Digitalisierung löst gesellschaftliche Veränderungen aus, verändert Berufsbilder und das Handeln von Menschen. Immer deutlicher wird, wie wichtig es ist, sich mit dem Verlauf der Digitalisierung intensiv auseinander zu setzen sowie frühzeitig Anpassungsstrategien zu entwerfen, um auf Strukturveränderungen vorbereitet zu sein. Dadurch wird die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhalten, vorhandene Chancen genutzt und negative Auswirkungen gemildert. Kurz: Digitalisierung wird zum Innovationstreiber.

Aber gilt das auch für die Sozialwirtschaft?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen müssen wir erstmal betrachten was Innovation ist.

Was ist Innovation?

Der Ursprung des Begriffs Innovation kommt aus dem Lateinischen innovātio was für „Erneuerung, Veränderung“ steht. In einer ersten, einfachen Definition ist Innovation eine Erneuerung und Veränderung von etwas Bestehenden. Im 19. Jahrhundert erweiterte sich die Bedeutung des Begriffs Innovation um den Begriff Neuheit. Also etwas Neu geschaffenem.

In die Wirtschaftswissenschaft führte Joseph Schumpeter den Begriff Anfang des 20. Jahrhundert ein. Er hat in der „Theorie der Innovationen“ beschrieben, dass die Grundlage des Kapitalismus ewiger Wandel durch „schöpferische Zerstörung“ ist. Die Innovation ist ein willentlicher und gezielter Veränderungsprozess hin zu etwas Erstmaligem, „Neuem“. Im ökonomischen Sinne kann erst von Innovation gesprochen werden, wenn ihre Nützlichkeit erkannt und ein Produkt, Service, Produktionsprozess oder ein Geschäftsmodell entsprechend neu eingeführt oder verändert wird. Dabei kann es sein, dass der Nutzen oder Wert einer Innovation erst nach einer längeren Phase entdeckt wird. Viele hergestellte Objekte oder Services sind im Moment ihrer Schaffung noch „Unsinn“.

Zusammengefasst: Eine Innovation erfüllt Bedürfnisse die dem Nutzer (noch) nicht klar sind. Das Hergestellte wird erst in einem Interpretations- und Anwendungsprozess sinnvoll.

In einer zweiten Definition ist Innovation daher der Prozesse einer Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs einer Neuheit. Dabei kann die Neuheit etwas Vorhandenes durch etwas Besseres ersetzen oder etwas anbieten was es vorher noch gar nicht gab.

Für unsere weiteren Betrachtungen bedeutet dies: Innovation ist ein willentlicher Prozess und braucht Sinnstiftung bei Herstellern und Kunden zugleich. Der unternehmerische Zweck einer Innovation ist es die Wertschöpfung positiv zu verändern, zu steigern. Im Sinne von Schumpeter: nur wer sich ständig hinterfragt bleibt als Unternehmen stabil.

Und hier liegt der Knackpunkt

Innovation hat den Zweck die Wertschöpfung des Unternehmens positiv zu verändern. Wertschöpfung zu steigern erfolgt immer über Kundenzufriedenheit. Diese wird erreicht, wenn die Bedürfnisse des Kunden befriedigt werden. Wie kann das funktionieren, wenn die Wertschöpfung durch den Gesetzgeber reglementiert ist? Leistungen werden vorgegeben, Gesetze bestimmen den Anspruch, die Kontrolle übernimmt nicht der Leistungsempfänger, sondern der Leistungs- und damit Kostenträger. Muss dann nicht der Gesetzgeber Innovationstreiber sein? Aber geht das?

Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft kann dann eigentlich nur die Effizienzsteigerung sein. Der „Return on Invest“ kommt über die schnellere automatisierter und klientenzentrierterer Arbeit. Also durch Zeitersparnis ohne Qualitätsverlust?

Im Gabler Wirtschaftslexikon habe ich folgendes gelesen: „In der Gesundheitsökonomie bezeichnet Effektivität die Fähigkeit einer medizinischen Technologie, den Gesundheitszustand eines Patienten gezielt positiv zu beeinflussen“[1].

Auf die Sozialwirtschaft übertragen bedeutet es: Effektivität ist die Fähigkeit einer Technologie, den seelischen und Körperlichen Zustand eines Klienten gezielt positiv zu beeinflussen.

Kombinieren wir jetzt diese beiden Ansätze:

Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft unterstützen gezielt den Leistungserbringer bei der Fähigkeit den seelischen und körperlichen Zustand eines Klienten positiv zu beeinflussen und ihn im selbstbestimmten Handeln zu bestärken. Die Bedingung hierfür ist Ressourcenersparnis ohne Qualitätsverlust.

Wie kann Digitalisierung helfen?

Der Begriff Digitalisierung bezeichnet „den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen“[2]. Das Internet der Dinge („Internet of Things“) vernetzt physikalische Gegenstände miteinander und setzt diese in eine Beziehung zur virtuellen Realität. „Ambient Assisted Living“ (AAL) ist ein gutes Beispiel für diesen Ansatz in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. AAL steht für Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die neue Technologien in den Alltag einführen um die Lebensqualität für Menschen in allen Lebensphasen zu erhöhen. Die Reduzierung auf das Alter greift hier deutlich zu kurz.

Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Entwicklung massive Umwälzungen in vielen Lebensbereichen und Wirtschaftsbranchen nach sich ziehen wird – wie es heute schon erkennbar geworden ist. Die Dynamik nimmt zu, weil die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Computern und digitalen Prozessen weiter in rasantem Tempo zunehmen.

Zwei Seiten der Digitalisierung

Die konservative Sichtweise auf die Digitalisierung setzt auf den Einsatz etablierter Technologien. Digitalisierung bedeutet jedoch nicht die Einführung von IT-Systemen aber die Grundlage für eine wertschöpfende Digitalisierung in der Sozialwirtschaft ist ein funktionierendes IT-System.

Prozessoptimierung und Optimierung der Wertschöpfungsketten sind beim konservativen Ansatz wesentlicher interner Treiber für Digitalisierung. Sie findet im Rahmen üblicher, etablierter technologischer Entwicklung statt. In der Sozialwirtschaft wird daher oft die Transformation des papiergestützten Prozesses auf den IT gestützten Prozess als zentrale Aufgabe der Digitalisierung verstanden.

Die innovative Sichtweise fokussiert auf technologische Innovationen und künftige Entwicklung.

Disruptive Entwicklungen lösen tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Veränderungen aus. Disruptivität beschreibt in diesem Fall die Verdrängung existierender Technologien, etablierter Dienstleister und Lieferanten und deren Geschäftsmodelle sowie tradierter Prozesse durch die Digitalisierung.

Grundlegend kann man vier Themenkomplex identifizieren die sich durch die Digitalisierung verändern[3]:

  1. Rollenwechsel im Kundenverständnis: Kunde wird aktiver Partner in der Herstellung oder bei der Vermarktung von Produkten und Leistungen. Dies geschieht durch öffentliche Bewertungen, Erfahrungsberichten aber auch durch aktive Verbesserungsvorschläge oder Hinweise an den Anbieter. Auch die gegenseitige Hilfe rund um ein Produkt herum zählt zu diesem Rollenwechsel. Neue Technologien im Sinne von Communitys dienen dabei als Vermittler neuer Kooperationsformen.
  2. Beruf und Privat verschwimmen: Ziel ist es, das Arbeiten – jenseits von Home-Office-Konzepten – unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort zu ermöglichen. In der Sozialwirtschaft könnte man zum Beispiel die partizipatorische Dokumentation durch Klienten als Erweiterung dieses Veränderungsansatzes nennen.
  3. Stärkung personenbezogener Dienstleistungen: Zwar können IT- und mikroelektronische Systeme oder autonome Roboter mehr und mehr Aufgaben übernehmen, aber Leistungen, für die persönliche Nähe wichtig ist, werden an Bedeutung gewinnen. Bspw. sieht AAL eine starke menschliche Komponente vor. Dadurch können neue Aufgaben- und Betätigungsfelder entstehen, die sich unabhängig vom technologischen Fortschritt entwickeln werden. Genauso gut kann man an dieser Stelle auch die Unterstützung von Diagnostik durch technologische Ansätze aus dem Wissensmanagement und der Künstlichen Intelligenz nennen. Dieser Punkt steht allerdings in engem Zusammenhang mit dem vierten Thema:
  4. Der Themenkomplex der Interoperabilität erweitert die Datensicht um eine aktive Datennutzung und ist Voraussetzung für eine herstellerübergreifende Verarbeitung von Daten im Sinne des Big Data. Interoperabilität beschreibt die Fähigkeit von Systemen, miteinander kommunizieren und interagieren zu können. Sie beschränkt sich nicht auf den Einsatz von Standards, sondern konkretisiert, welcher Standard in welcher Form zu verwenden ist. Dabei spielen die semantische Beschreibung der Daten (Bedeutung), der Einsatz von Ontologien (Verknüpfungen zwischen Bedeutungen) und die Nutzung von Terminologien (Übersetzer von Bedeutungen) eine wesentliche Rolle. Dies ist ein alter Hut in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Trotzdem haben sich hieraus keine Innovationen im disruptiven Sinne entwickelt.

Die Besonderheit in der Sozialwirtschaft beim Thema Digitalisierung ist der emotionale Faktor Datensicherheit. Mit Realität hat diese Diskussion nicht immer was zu tun. Zwei Themenkomplexe möchte ich hier hervorheben:

  1. Die Sicherheit der Datenhalten. Soziale Unternehmen und Organisation glauben, dass der besondere Schutz der personenbezogenen Sozialdaten nur im eigenen „Keller“ zu gewährleisten ist. Inzwischen ist bewiesen, dass in einem professionell betriebenen Rechenzentrum die Gefahr des Datenklaus signifikant niedriger ist.
  2. Wir wollen keinen gläsernen Klienten auf dessen Datenbasis Vorverurteilungen und Unfreiheit entstehen. Grundsätzlich ist es möglich durch die Verknüpfung von Daten unzulässige Schlüsse zu ziehen. Im Gegenzug besteht aber auch die Möglichkeit durch die Verknüpfungen Erkenntnisse zu erlangen und Schlüsse zu ziehen, die ohne diese Verknüpfungen unmöglich wären. Die Aufgabe der Digitalisierung ist, wirksame Anonymisierungsprozesse zu entwickeln die keine Rückschlüsse auf den Menschen zu lassen. Es ist die ethische Verpflichtung bei der Innovation durch Digitalisierung.

Kann es in der Sozialwirtschaft disruptive Ansätze geben?

Ein Definitionsversuch: Eine disruptive Technologie (engl. disrupt – unterbrechen, zerreißen) ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung vollständig verdrängt. Aber natürlich geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um Verfahren, Denkweisen, Prozesse, Systeme und ganze Kulturen. Disruption hat also mit der Definition zu tun was verdrängt wird. Die gesetzgeberischen Spielregeln einer WfbM sind nicht zu zerstören, aber sehr wohl die Spielregeln von Teilhabe und die vorhandene Technik die die Arbeit und die Teilhabe unterstützt.

Das Buurtzorg Model aus den Niederlanden ist in der Pflege disruptiv weil sie durch bedingungslose Kundenzentrierung die Arbeitsweisen grundlegend in Frage stellen.

Es bleibt noch abzuwarten ob die Branche durch die enorm hohe Regulierung eher zur Evolution als zur Innovation neigt.

Wie lässt sich Digitalisierung in der Sozialwirtschaft systematisieren?

Aus meiner Sicht gibt es vier Wirkpunkte (Grundlage ist die Innovationsmatrix aus der Studie: Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft – Chancen und Risiken, Studie im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID):

Für jeden der vier Digitalisierung-Cluster lassen sich weitere aktuelle Beispiele aber auch noch zu entwickelnde Innovationen finden.

In der Matrix steht Big Data im Mittelpunkt, da alle Sektoren auf Daten des anderen Sektors angewiesen sind. Auf der einen Seite ist es zwar eine technische Methode, aber auf der anderen Seite auch ein strategisches Konzept. Aus allen vier Clustern laufen Daten allerdings auch in BigData zusammen. Die Klienten- und Leistungsträgerdaten, die Dokumentation aus den internen Prozessen, Sozial Media mit Klienten und Angehörigen liefern genauso Daten. Zusätzlich lässt sich das mit Stellenprofilen zum Recruting kombinieren. Selbstverständlich verknüpfen sich die Daten mit AAL und partizipativer Dokumentation (wenn Klient und Pädagoge zusammen dokumentieren) und das Monitoring liefert weitere Daten.

Für eine automatische Hilfebedarfsermittlung, bzw. die Unterstützung dieser, liefert Big Data aus den intelligenten Unterstützungssystemen und Diagnostik wiederum Daten. Wenn auf diese Weise Innovation in die Sozialwirtschaft getragen werden soll liegt damit hier der Fokus auf innovative Datenschutzkonzepte.

Stellen Sie sich vor ich würde eine Plattform entwickeln die in der Lage ist aus all den Quellen die Daten zusammen zu ziehen und auf Basis von Wissensmanagement und Künstlicher Intelligenz, um die Best mögliche Unterstützung zu ermitteln und daraus eine Hilfeplanung oder eine Kriseninterventionsmaßnahme vorschlagen? Und trotzdem lasen sich die physikalischen Menschen nicht systematische hinter den Daten erkennen.

Oder was wäre, wenn es eine Plattform gibt bei denen Bewertungen von Hilfeleistungen möglich wäre die mit statistischen Daten kombiniert würde und sich Angehörige und Betreute selber den besten Anbieter auswählen. Zwar ist die Zusage durch den Leistungsträger noch die Spielregel aber der Kunde kann an den Spielregeln schrauben.

Es braucht eine ganzheitliche Strategie im Unternehmen

Digitalisierung wirkt also nach Innen (Prozessautomatisierung und –Optimierung, Wirtschaftlichkeit, Automatisierung) und nach Außen (Kundenbindung, Individualisierung, Teilhabe). Beide Aspekte tragen zur Risikominimierung und Erfolgssteigerung eines Unternehmens bei. Gerade weil beide Aspekte der Digitalisierung zusammen wirken braucht es eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Im Mittelpunkt der Strategieentwicklung steht der Mensch, denn ohne Klient, Angehörige und Mitarbeiter machen soziale Einrichtungen schlicht keinen Sinn. Eine gut durchdachte und sich immer wieder an Veränderungen anpassende Strategie wird so zum Differenzierungsmerkmal eines Unternehmens in der Sozialwirtschaft im Markt. So kann daraus eine digitale Unternehmenskultur entstehen.

Bei all den Überlegungen zur Digitalisierung und den dadurch ausgelösten Veränderungen macht es Sinn vom Mensch und Nutzen her zu denken und nicht vom technische machbaren!

  • Wer ist der Kunde/Zielgruppe?
  • Was braucht der Kunde? Was braucht das Unternehmen?
  • Wie werden Mitarbeiter, Leistungsträger, Angehörige und Betreute bei der Digitalisierung des Unternehmens mitgenommen?
  • Was ist die richtige Strategie, jenseits von technischer Machbarkeit?
  • Wie werden tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt?

Agile Methoden helfen bei der Strategieentwicklung und -Umsetzung

Mit agile Methoden aus der Welt der Softwareentwicklung werden systematisch und damit nachhaltige Lösungsvorschläge in kurzer Zeit erarbeitet.

Gelingen kann der Prozess mit agilen Methoden aus der Welt der Softwareentwicklung. Auf diese Weise werden systematisch überprüfbare sowie iterative und nachhaltige Lösungsvorschläge in kurzer Zeit erarbeitet. Sie setzten die Kundenzentrierung und die Zusammenarbeit von Menschen in den Mittelpunkt. Somit sind agile Methoden die beste Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher digitaler Strategien.

Doch was genau bedeutet agiles Handeln?

Erst einmal bedeutet es: Beweglich auf Veränderungen zu reagieren und den Kunden beim „Bewegen“ im Mittelpunkt zu halten.

Grob zusammengefasst ist der Kern agiler Arbeitsweisen, große Themen in kleine Arbeitspakete zu zerlegen. Diese Arbeitspakete werden dann durch Versuche – mittels Prototypen – zusammen mit dem Kunden überprüft, um schneller und besser festzustellen, was der Kunde braucht. Durch sich schrittweise annähernde (iterative) Prozesse entstehen kundenorientiertere Ergebnisse. Für diese Arbeitsweisen sind verschiedenen Methoden wie Design Thinking entwickelt worden.

Im Mittelpunkt agiler Arbeitsweisen stehen vier Leitsätze

  • Alle Beteiligten (Mitarbeiter und Kunden) eines Teams wissen zusammen besser, was richtig ist, als ein einzelner (Manager).
  • Die Menschen in der Nähe zum Geschäftsumfeld (also Kunden und Partner) wissen besser, was notwendig ist, als die Führungskräfte im Inneren des Wohnungsunternehmens.
  • Individuen und Interaktionen sind wichtiger, als stur Prozesse einzuhalten und standardisierte Werkzeuge zu suchen.
  • Das Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.

Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entscheiden und handeln die Teams selbstverantwortlich. Die Arbeitsweise braucht die Unterschiedlichkeit im Unternehmen. Vor allem aber erkennt diese Methode an, dass jeder im Unternehmens, auch der Hausmeister und die Sekretärin, vor allem aber der Kunde und die Angehörigen, Teil des gemeinsamen Erfolgs sind.

Kleinteiliges oder themenorientiertes Arbeiten indes zerstört den Blick auf das Produkt und verbaut dadurch die Chance, ungewöhnliche Lösungswege zu finden. Agile Teams werden daher immer um ein gesamtes Produkt/Service oder eine Dienstleistung herum und über den gesamten Lebenszyklus des Produkts gebildet. Auch Fachleute mit hoch spezialisierten Lösungsansätzen sind Teile eines agilen Teams. Diese diskutieren aber ihre Erfahrungen mit allen, um die Auswirkungen auf das Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren und gleichzeitig auch allen anderen eine neue Perspektive zu bieten.

Führungsaufgaben

Die zentrale Führungsprämisse in agilen Strukturen ist demnach die übergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Damit diese Zusammenarbeit funktioniert ist es notwendig, dass die Menschen sich und ihre Fähigkeiten gegenseitig anerkennen. Des Weiteren ist es notwendige, dass die Teams Rahmenbedingungen und Leitlinien bekommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen durch die Führungskräfte befähigt und bevollmächtigt werden im Rahmen Ihrer Spielräume selbstverantwortlich zu handeln.

Somit sind agile Methoden die beste Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher digitale Strategien.

Agile Arbeitsweisen fördern nicht nur Innovationen, sondern auch Evolution von Produkt-, Service- und Unternehmensansätz. Ich persönlich habe die Hoffnung, dass durch die agilen Arbeitsweisen vielleicht doch was Innovatives entstehen kann… eben etwas woran haute niemand denkt. Aber dazu muss es Spielräume geben.

————————————-

[1] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/effektivitaet.html

[2] http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wi-enzyklopaedie/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung/.

[3] Vgl.: DEUTSCHE TELEKOM / SHAREPOINT / UNIVERSITÄT ST. GALLEN 2015: Arbeit 4.0: Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft – 25 Thesen. Bonn.

Agile Methoden helfen bei der Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft

Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft hat viele Fassetten. Zurzeit schweben viele Schlagworte durch den Raum: Internet der Dinge, Smart Home, AAL, Smart City, Prozessoptimierung, automatisiertes Service Management, Self Services, Big Data etc.

In der Studie „Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft – Chancen und Risiken“ aus dem Sept. 2017[1] wurden 4 Wirkpunkte in einer sog. Innovationsmatrix identifiziert.

In dieser Darstellung werden Daten in den Mittelpunkt aber auch als zentrales Austauschmoment gestellt. Am Beispiel von Smart Home Lösungen lässt sich sehr gut die Digitalisierung durch alle vier Cluster verfolgen.

Nehmen wir das Beispiel Heizungssteuerung. Initial wird eine Heizungssteuerung via Smart Home durch den Mieter an den Heizkörpern eingebaut. Es unterstützt im ersten Schritt das individualisierte Wohnen. Der Mieter spart durch intelligente Heizungssteuerung Geld und gewinnt Komfort. Durch eine Vernetzte Steuerung mit Fenster Kontakten wird das Gebäude Intelligent. Wird z.B. im Winter gelüftet fahren automatisch die Heizungen im Zimmer runter. Das lässt sich auch mit Luftbefeuchtern und Außentemperaturen koppeln oder auch mit Anwesenheit. Smart Home steigert damit das individualisierte Wohnen mit Hilfe Intelligenter Gebäude, erst einmal ohne dass der Eigentümer eine bauliche Veränderung durchführen muss. Spielen wir das Model weiter. Was wäre wenn sich darüber nun auch die Abrechnungen regeln lassen würden. Durch die zentrale Datenhaltung könnte die Heizkostenabrechnung zentralisiert werden. Auch wenn hier noch einige Dinge technische zu lösen sind ist dies der nächste logische Schritt. Wir wandern nun also zum Cluster Betriebliche Optimierung. Die Kombination dieser drei Cluster führt uns direkt zum vierten. Bauen Sie als Eigentümer die Smart Home Lösung ein und bieten Sie diesen ihren Mieter als Differenzierungsmerkmal an, haben sie eine neue Kundenansprache. Sie könnten auch in den Communitys ihrer Objekte Wettbewerbe, wer am besten mit Smart Home Energie spart durchführen. Der Mieter kann seine Nebenkosten in Echtzeit im Blick halten und regulieren. Im ersten Schritt die Abschläge anpassen, aber wer sagt nicht, dass in ein paar Jahren eine Echtzeitabrechnung möglich ist.

Für jeden der vier Digitalisierung-Cluster lassen sich aktuelle Beispiele aber auch noch zu entwickelnde Innovationen finden.

Eine weitere Entwicklung macht sich in der Wohnungswirtschaft bemerkbar: Durch die Digitalisierungen der Kommunen, vom Versorger und Entsorger bis zur Stadtverwaltung werden von den Wohnungsunternehmen weitere Prozessdigitalisierungen verlangt.

Inzwischen gibt es unzählige Anbieter für Lösungen zu den unterschiedlichsten Themen der Digitalisierung. Dabei werden die meisten Angebote von der Lösung her gedacht und stehen als Einzel-Lösung da. Intelligente Steuerung der Haustechnik, Gesundheitsüberwachung, Lichtsteuerung usw. Wie im Gesundheitsbereich auch gibt es in der Wohnungswirtschaft keine standardisierten Schnittstellen oder gar Lösungsübergreifende digitale Plattformen. Zu viele unterschiedliche Interessen treffen auf einander. Jeder möchte sich ein großes Stück vom Kuchen abschneiden.

Digitalisierung wirkt nach Innen (Prozessautomatisierung und –Optimierung, Wirtschaftlichkeit, Gebäudetechnik) und nach Außen (Kundenbindung, Individualisierung, Komfort). Beide Aspekte tragen zur Risikominimierung und Erfolgssteigerung eines Wohnungsunternehmens bei. Gerade weil beide Aspekte der Digitalisierung zusammen wirken braucht es eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Im Mittelpunkt der Strategieentwicklung steht der Mensch, denn ohne Mieter macht ein Wohnungsunternehmen schlicht keinen Sinn. Eine gut durchdachte und sich immer wieder an Veränderungen anpassende Strategie wird so zum Differenzierungsmerkmal eines Wohnungsunternehmens im Markt.

Bei all den Überlegungen zur Digitalisierung und den dadurch ausgelösten Veränderungen macht es Sinn vom Mensch und Nutzen her zu denken und nicht vom technische machbaren.

Was braucht der Kunde? Was braucht das Unternehmen?

Wie werden Mitarbeiter und Mieter bei der Digitalisierung des Unternehmens mitgenommen?

Was ist die richtige Strategie, jenseits von technischer Machbarkeit?

Wie werden tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt?

Mit agile Methoden aus der Welt der Softwareentwicklung werden systematisch und damit nachhaltige Lösungsvorschläge in kurzer Zeit erarbeitet. Sie setzten bei allem Handeln die Zusammenarbeit von Menschen in den Mittelpunkt. Somit sind agile Methoden die beste Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher digitale Strategien.

Was bedeutet agiles Handeln?

Erst einmal bedeutet es: Beweglich auf Veränderungen zu reagieren und den Kunden beim „Bewegen“ im Mittelpunkt zu halten.

Grob zusammengefasst ist der Kern agiler Arbeitsweisen, große Themen in kleine Arbeitspakete zu zerlegen. Diese Arbeitspakete werden dann durch Versuche, mittels Prototypen, zusammen mit dem Kunden überprüft, um schneller und besser festzustellen was der Kunde eigentlich braucht. Durch sich schrittweise annähernde (iterative) Prozesse entstehen exzellente, kundenorientiertere Ergebnisse. Für diese Arbeitsweisen sind verschiedenen Methoden wie Design Thinking entwickelt worden.

Im Mittelpunkt agiler Arbeitsweisen stehen vier Thesen:

  1. Alle Beteiligten (Mitarbeiter und Kunden) eines Teams wissen zusammen besser was richtig ist als ein einzelner (Manager).
  2. Die Menschen in der Nähe zum Geschäftsumfeld (also dem Kunden und Partner) wissen besser was notwendig ist, als die Führungskräfte im inneren des Wohnungsunternehmens.
  3. Individuen und Interaktionen sind wichtiger als sich stur Prozesse zu halten und standardisierte Werkzeuge zu suchen.
  4. Das Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans

Agile Methoden stellen die Wichtigkeit der unterschiedlichen Erfahrungen und die interdisziplinäre, bereichsübergreifende Zusammenarbeit in den Mittelpunkt des Handelns. Agile Methoden setzen stark auf die Unterschiedlichkeit im Unternehmen. Die Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ist somit das zentrale Prinzip. Vor allem aber erkennt diese Methode an, dass jeder im sozialen Netzwerk des Unternehmens, also auch der Kunde, der Hausmeister und die Sekretärin Teil des Erfolgs sind. Die zentrale Führungsprämisse in agilen Strukturen ist demnach die Zusammenarbeit zu fördern.

Damit Zusammenarbeit funktioniert ist es notwendig das die Menschen sich und ihre Fähigkeiten gegenseitig anerkennen. Zusätzlich müssen sie ein gemeinsames Problembewusstsein und eine gemeinsame Definition von Erfolg haben.

Agile Teams bilden sich immer um ein Produkt/Objekt oder einer Dienstleistung herum. Kleinteiliges Arbeiten zerstört den Blick aufs Ganze und verbaut dadurch die Chance ungewöhnliche Lösungswege zu finden. Gerade aus diesem Grund muss es in agilen Teams auch hochgradige Spezialisten mit spezialisierten Lösungsansätzen geben. Diese diskutieren Ihre Erfahrungen aber dann mit allen, um die Auswirkungen auf das Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren aber gleichzeitig so auch allen anderen eine neue Perspektive bieten. Durch Transparenz der eigenen Handlungen und Entscheidungsgrundlagen wird das dafür notwendige Vertrauen erzeugt.

Wie kann dieses Arbeitsweise beim Digitalisieren in der Wohnungswirtschaft helfen.

Schauen wir uns ein agiles Team und ihre Arbeitsweise aus dem Design Thinking an:

Um ein Objekt oder Quartier wird das Team zusammengestellt. Wichtig ist, dass die Besetzung aus der Peripherie des Produktes kommt. Also Objektbetreuer, und Hausmeister, etc.

Im ersten Schritt wird eine gemeinsame Problemdefinition aus der Innovationsmatrix herausgearbeitet. Im nächsten Schritt wird das Team um Kunden oder Partner erweitert. Es geht jetzt darum die Bedürfnisse zu identifizieren die zu einem wertschöpfenden Mehrwert fürs Unternehmen führen.

Daraus entstehen Ideen und konkrete Handlungen.

Jetzt kommt der wichtige Moment das Verproben. Es werden Prototypen gebaut oder Dienstleistungsgeschichten entwickelt. Das wird wieder mit den Kunden und Partnern direkt getestet, um anschließend zu prüfen sind damit die Probleme gelöst oder muss ggf. die Problemdefinition angepasst werden. Je nach Problemstellung kann so ein Microzyklus an einem Tag durchgeführt werden aber auch in mehreren Tagen. Mit jedem Kreislauf wird aus dem Prototyp eine immer funktionalere Lösung. Erst wenn sich das agile Team sicher ist, dass mit der Lösung das Problem auch wirklich gelöst werden kann wird aus dem Prototyp ein Produkt.

Wird die Methode um einige Elemente erweitert lassen sich damit ganze Digitalisierungsstrategien entwickeln. Dabei müssen vor allem die Besetzungen des Teams anders vorgenommen werden. Aber immer getreu der Prämisse:

Die Menschen in der Nähe zum Geschäftsumfeld (also dem Kunden und Partner) wissen besser was notwendig ist, als die Führungskräfte im inneren des Wohnungsunternehmens.

Mit diesen agilen Arbeitsweisen versichert man sich frühzeitig, bevor teure Entwicklungskosten aufkommen, ob man das richtige für den Kunden macht. So entstehen Innovationen die verkaufbar sind und damit zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen. Durch die Zusammenarbeit mit Kunden wird zusätzlich noch eine hohe Kundenbindung erzeugt, die sich auch wieder als Differenzierungsmerkmal vermarkten lässt.

—————————————–

[1] Torsten Bölting, Dr. Thomas Königsmann, Michael Neitzel: Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft – Chancen und Risiken, Studie im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), Berlin (www.bid.info), InWIS, Bochum Sept. 2016

Agile Unternehmen brauchen den philosophischen Überbau eines autonomen Menschenbildes

Ein etwas längeres Essay

Mein verständlicher Wunsch „Macht“ loszuwerden ist leider auch nur ein Durchsetzen einseitiger Interessen. Somit auch wieder Macht. Machtvolles Handeln kann also nicht eliminiert werden, da dies auch nur wieder eine machtvolle, einseitige Gegenposition ist. Ergo: Macht kann man nicht mit Macht beantworten, um etwas zur Freiheitlichkeit zu verändern.

Eine Organisation die Ihre Werte und ihr Handeln aus einer Philosophie des freiheitlichen Handelns zieht braucht folglich Gegenmodelle zur Macht. Auf einen Machtanspruch durch Personen können nur freiheitliche Handlungsmuster die Antwort sein. Doch was können das für Antworten sein?

In einer agilen Organisation, die auf Eigenverantwortung und Respekt vor den Fähigkeiten anderer aufgebaut ist muss es einen philosophischen Überbau geben.

Wie kann ein philosophischer Überbau in einem Unternehmen aussehen?

Vor allem braucht es ein tiefes Verständnis davon, dass ein Unternehmen aus der Kombination verschiedener Lebenswelten von Menschen besteht. Die Lebenswelt eines Menschen entwickelt sich Zeit seines Lebens durch Eindrücke, Erfahrungen und seiner subjektiver Deutungen. All dieses ist eingebettet in seine kulturellen Lebensräume. Der Mensch ist demnach ein von Handlung, subjektiver Deutung und Interaktion durchdrungenes Wesen.

Der zentrale Wert des philosophischen Überbaus ist die Autonomie des Individuums. Dieses Konzept setzt voraus, dass Menschen in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen. Autonomie ist, u.a. nach Emanuel Kant, die Fähigkeit des Menschen, „sich selbst entscheiden“ zu können. Es beinhaltet die Fähigkeit sich ein Bild von der Wirklichkeit zu konstruieren, Regeln zu entwickeln und auf Basis subjektiver Deutungen bestimmte Verhaltensmuster zu entwickeln. Autonomie ist die Bewegung zur Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit.

Betrachten wir kurz wie Lernen in diesem Menschenbild angelegt ist. Eine autonome Handlung braucht für den Menschen Bedeutung oder auch einen Sinn. Bedeutung kann nicht vorgegeben werden, sondern wird durch den Menschen selber hergestellt. Dies geschieht meistens Kooperativ, also in Vereinbarung zu einem Anderen, auch einer anderen Gruppe. Bedeutung wird also in einem Kontext erzeugt. „Lernangebote“ werden somit auf die eigene Lebenswelt abgeglichen. Der Mensch stellt sich also die Frage: hat dieses Angebot für mich ein Bedeutung. Wenn es passt wird dem Lernangebot in die eigen Lebenswelt integriert. Es wird auf diese Weise mit Bedeutung und Sinn „aufgeladen“. Damit das funktioniert braucht Bedeutungserzeugung Spielräume in den es eine Auswahl gibt.

Unter diesen Gesichtspunkten benötigt ein agiles Unternehmen eine andere Führungskultur. Führung versteht sich unter diesen Gesichtspunkten nicht mehr als „Leitend“, „Anweisend“ sondern Sinnstiftend und Orientierung gebend. In der Organisation braucht es eine „Angebotskultur“ die akzeptiert, dass die Menschen auf Basis Ihrer Lebenswelten andere Entscheidungen treffen als man selber.

Ein erfolgreiches Unternehmen muss den Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebenswelten einen gemeinsamen Sinn stiften. Dies geschieht durch Angebote von Handlungen, Leitlinien, Produkten etc. die zu den Lebenswelten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passen. Oder besser; es sind Angebote die in die eigene Lebenswelt integriert werden.

Angebote brauchen trotzdem Leitlinie und gemeinsame Ziele sonst wird das Verhalten beliebig und anarchisch.

Fortsetzung folgt…

https://www.linkedin.com/pulse/agile-unternehmen-brauchen-den-philosophischen-überbau-lachmann

In einer modernen agilen Organisation muss zuerst Macht eliminiert werden

Ein kurzes Essay

Freiheit und Macht stehen in einer agilen Organisation in einem direkt Widerspruch. Agile Methoden basieren auf freiheitlichem Handeln. Das Model beinhaltet Respekt für die Fähigkeiten des Anderen und einem konstruktivistischen Menschenbild. Zusammengefasst ist Freiheit, die Freiheit zwischen Möglichkeiten wählen zu können. Das geschieht ohne äußeren Zwang, auf Basis der eigenen Erfahrungen, eigenen Recherchen und Überlegungen. Freiheitliches Handeln bedeutet auch sich Rat zu holen und mit anderen in einen Diskurs zu gehen, um eine Entscheidung zu treffen.

Freiheit braucht trotzdem Regeln. Diese Regeln sind die Handlungsmöglichkeiten oder auch Spielräume. Manchmal geben Gesetze, als soziale Normen, diese Regeln vor. Manchmal sind es Unternehmensstrategien oder auch technische Möglichkeiten. Regeln müssen auf alle Fälle sozial anerkannt sein. Aber Achtung: sind diese Regeln nicht Transparent und mit Sinn aufgeladen, können Sie nicht sozial anerkannt sein und die Organisation driftet in eine Beliebigkeit und damit in eine anarchische Organisation.

Eine freiheitliche Organisation braucht daher ein sozial genormtes Regelwerk. Das ist sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben des Managements.

Macht stellt, im Gegensatz zur Freiheit, die Fähigkeit einseitig Interessen durchzusetzen in den Mittelpunkt des Handelns. Dabei können diese Interessen den einseitig definierte Ziele einer Person oder eine Interessensgruppe dienen. Das Durchsetzen von diesen Ziele erfolgt in der Regel unter Zwang und ohne sich selbst äußeren Ansprüchen gegenüber beteiligten Personen zu unterwerfen oder diesen entgegenkommen zu müssen/wollen.

Stehen in einer Organisation auf der Führungsebene Macht und Freiheit in einem Widerspruch kommt es zu einem Konflikt. Der ist erst verdeckt, exportiert sich dann über die Bereiche und wird zu einem offenen Konflikt zwischen den Haltungen und kann am Ende zur Zerstörung der Organisation führen.

Siehe auch:

https://www.linkedin.com/pulse/einer-modernen-agilen-organisation-muss-zuerst-macht-werden-lachmann